Der 11. April 2025 ist einer dieser Tage, an denen die Sonne nicht einfach scheint, sondern regelrecht glänzt, als hätte sie etwas zu feiern. Ich wandere entlang der Küste von Isabela, dieser gewaltig wirkenden, seesternförmigen Insel am westlichen Rand des Galápagos-Archipels. Die Luft ist warm, das Meer glitzert, Pelikane stehen wie gelangweilte Zen-Meister auf den Felsen und Riesenschildkröten fressen sich träge durchs Gebüsch.
Alles wirkt wie aus einem friedlichen Traum.
Doch mein Ziel an diesem Tag ist kein Strand, keine Seelöwenkolonie, kein Tauchspot mit verspielten Rochen. Ich bin unterwegs zur Mauer der Tränen – El Muro de las Lágrimas. Ein stiller Ort, an dem die Schönheit dieser Inseln für einen Moment in meinen Gedanken verblasst.
Der Pfad führt durch wilde Büsche, vorbei an Kakteenbäumen und Mangroven. Vögel fliegen glücklich vor mir her, bis da eine Mauer mitten in der Natur zum Vorschein kommt. Eine schwarze, schroffe Wand, als hätte jemand einen Teil der Traurigkeit der Welt in Stein gegossen und hier abgeladen.
Sie wirkt natürlich etwas fehl am Platz. Kein Dorf dahinter. Kein Hof, kein Haus. Nur üppiges Land, das sich in jede Richtung verliert.
Und genau das ist das Bittere: Diese Mauer wurde nie für etwas gebaut. Kein Schutz, kein Nutzen, kein Plan. Nur Steine aufeinander. Von Händen gezwungen, die nicht aus Überzeugung, sondern aus Verzweiflung arbeiteten.
Denn einst war hier eine Strafkolonie. Ein Gefängnis im Paradies. Männer, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu leben, wurden hierher gebracht – verbannt, vergessen. Und dann ließ man sie Steine schleppen. In der Hitze. Im Staub. Für nichts.
Einige zerbrachen an der Aussichtslosigkeit, andere weinten. Diese Tränen, sagt man, sind noch heute im Gestein gespeichert. Ich glaube daran kann etwas dran sein. Ich spürte sie, diese sonderbare Energie...
Die Mauer schweigt, aber sie hat Gewicht. Nicht nur in Tonnen, sondern in Geschichten.
Ich streiche mit der Hand über das raue Lavagestein, und in diesem Moment, ganz plötzlich, bin ich dankbar.
Nicht für das Leid, das hier geschah – sondern dafür, dass ich gehen kann, wo auch immer mich meine Füße auch tragen wollen. Einfach überall hin.
Dass meine Schritte mir gehören. Dass ich heute durch Sonne und Freiheit wandere, während andere einst barfuß im Elend hier standen.
Ein Vogel ruft. Der Wind streicht durch die Blätter und die Stacheln der Kakteen.
Ich drehe mich um und gehe zurück. Leicht. Still. Und ein bisschen ehrfürchtig.
Eine der Riesenschildkröten scheint Auf Wiedersehen zu sagen....
Mal sehen