Ein Tag in Las Tunas
Ich wache auf, noch bevor meine Augen sich öffnen. Die Sonne hat ihren Weg durch die weißen Vorhänge gefunden, berührt sanft mein Gesicht, als wolle sie mich vorsichtig ins Hier und Jetzt rufen. Kein schriller Wecker, kein hastiges Aufspringen – nur dieses warme Licht, das langsam über meine Haut streicht und den neuen Tag ankündigt.
Gemächlich richte ich mich auf. Zähne putzen, ein Schluck warmes Wasser – der erste bewusste Moment des Tages. Dann koche ich meinen grünen Tee und den tief aromatischen Kakaoschalentee, während ich mir ein Müsli mit frischen Früchten aus der Region zubereite. Heute ist es Drachenfrucht. Ich setze mich an meinen Tisch, lasse den Blick über das Meer schweifen. Der Wind trägt das Flüstern der Wellen zu mir herüber, spielt mit den Blättern der Palmen. Auch die Zweige des Neem-Baumes wiegen sich sanft, als würden sie einer unsichtbaren Melodie folgen.
Kein Stress. Keine Eile. Nur Genuss.
Noch hat die Sonne meine Hängematte nicht erreicht. Also lasse ich mich hineinfallen, schlage mein Notizbuch auf und beginne zu schreiben. Worte fließen, Gedanken setzen sich, eine Geschichte nimmt Form an. Mein Buch wächst weiter, nicht aus Pflicht, sondern weil es einfach geschieht.
Irgendwann meldet sich mein Körper. Bewegung. Ich höre auf ihn, steige mit nackten Füßen in den warmen Sand, spüre jede kleine Unebenheit, jeden Hauch der winzigen Steine. Der Strand scheint endlos, kaum ein Mensch begegnet mir.
Und dann ruft das Meer. Ich springe hinein, lasse mich tragen, schwimme, tauche, atme.
Zurück in meinem Bungalow bereite ich mir ein einfaches, aber kraftvolles Essen zu: Quinoa, Brokkoli, Möhren, Walnüsse, Olivenöl, Knoblauch, Kurkuma und ein paar Blätter Petersilie. Nach dem Essen gebe ich meinem Körper, was er braucht – eine Verdauungs/ErholungsPause.
Ich lasse mich in mein großes Bett fallen, schließe die Augen, lasse meine Gedanken treiben und zur Ruhe kommen.
Ein paar Minuten später; Zeit spielt keine Rolle, spüre ich neue Energie und lebendige Leichtigkeit. Ich schnappe mir meinen orangefarbenen Thermobecher mit Kakaoschalentee und kehre zurück in meine bunte Hängematte. Ich schreibe weiter, lese, lerne ein Gedicht auswendig. Ein Vers nach dem anderen. Wiederhole. Langsam. Bewusst. Warum? Das erfährst du in meinem Buch, das – wenn alles so läuft wie es soll – noch in diesem Jahr erscheinen wird.
Gegen fünf Uhr beginnt das goldene Licht des Nachmittags. Die Hitze weicht, die Luft trägt eine neue Frische. Badehose an, Surfbrett unter den Arm – es zieht mich zurück ans Meer. Die Wellen sind lebendig, pulsierend, kraftvoll. Ich reite einige von ihnen, spüre das Wasser unter mir, den Rhythmus des Ozeans.
Und dann geschieht dieser eine Moment, den kein Plan der Welt hätte orchestrieren können:
Der Regen setzt ein. Große, warme Tropfen fallen vom Himmel, treffen mein Gesicht, meine Haut. Die Sonne steht tief, taucht den Horizont in warme Rot- und Orangetöne. Ich liege auf meinem Surfbrett, lasse mich treiben. Hinter mir, über den grün bewachsenen Hügeln, spannt sich ein Regenbogen auf.
Ich atme tief ein. Hier und jetzt. Genau hier will ich sein.
Und in diesem Moment denke ich nicht an das, was ich verloren habe – meinen Rucksack, mein Buch, mein kleines Heim auf der Reise. Ich vergesse es für einen Augenblick.
Das Wasser ist warm, und doch läuft mir eine Gänsehaut über den Rücken.
Noch vor Sonnenuntergang hänge ich an der Klimmzugstange, die keine zehn Meter von der Gischt entfernt ist. Ein paar Sätze Klimmzüge, Dips, Liegestütze – nicht aus Disziplin, sondern weil mein Körper Lust darauf hat, weil ich spüre, dass noch Energie in mir steckt.
Danach lasse ich mich in den Sand sinken, lehne mich an einen Baumstamm und beobachte, wie die Sonne langsam im Meer versinkt. Der Himmel brennt in Farben, die kein Künstler je festhalten könnte.
Später, frisch geduscht, bereite ich mir einen einfachen Papaya-Salat zu. Süß, salzig etwas säuerlich, pfeffrig und vorallem saftig und voller Leben. Anschließend beginnt auch schon die letzte Etappe dieses Tages.
Ich lasse mich wieder in die Hängematte fallen, lausche dem Rauschen des Meeres, wiederhole noch ein paar Verse meines Gedichts. Dann schnappe ich mir mein Handy, öffne meinen Blog. Die Gedanken sprudeln nur so aus mir heraus, fließen direkt in meine Finger und zaubern Worte in die digitale Welt.
Ich schaukle leicht in der Hängematte, blicke in den tiefen Abendhimmel, atme. Kein Plan hätte diesen Tag schöner machen können.
Und dann kommt mir noch einmal der Gedanke – wie es dazu kam, dass ich hier gelandet bin. In Las Tunas.
Für einen Moment denke ich an Thunfisch in Aludosen, mit Quecksilber versetzt … nein, natürlich nicht deshalb bin ich hier:)
Es ist die Zeit.
Es ist die Freiheit, ohne Plan zu reisen.
Es ist der Zufall, der mir zufällt, weil ich mich treiben lasse: die Frau mit dem Surfbrett unter dem Arm, die mir ihren Bungalow zeigt...
Ich denke zurück an den Regen, die untergehende Sonne, den Regenbogen.
Es gibt Dinge im Leben, die sind einfach unbezahlbar. Ein neues Auto, ein Handy, eine Villa in Hollywood – nichts davon könnte diesen Moment übertreffen.
Ich schließe die Augen und sage:
Danke für dieses wunderbar, selbstbestimmte Leben.
Freitag, der 14.3.25